Pressemitteilung
Natur-, Umwelt-, Hochwasserschutz: Stadtrat versagt auf ganzer Linie
Wie eine beschränkte Denkweise beim vorherigen Stadtrat und der Geraer Verwaltungsspitze die Probleme und Risiken für die Zukunft verschärft
Im Hintergrund das KuK, Erörterungsort - Foto: ÖDP
Die ÖDP Ostthüringen fordert angesichts der nicht zufriedenstellenden und in weiten Teilen sinnlosen Erörterung zwecks Ansiedlung einer Batterierecyclinganlage in Gera-Cretzschwitz den neuen Oberbürgermeister der Stadt Gera auf, dieses umweltschädigende Subventionsprojekt endlich ad acta zu legen. Die 5-tägige Erörterung war nach Meinung der ostthüringischen ÖDP-Mitglieder eine Alibi-Veranstaltung, um den Anschein eines demokratischen, transparenten und ergebnisoffenen Prozesses zu wahren. Tatsächlich kann das gesamte Genehmigungsverfahren als „Farce“ bezeichnet werden. Ein Vorhabenträger, der bei schätzungsweise 2/3 der aufkommenden Fragen keine Antwort zu geben wusste bzw. dieselben Fragen immer wieder zurückstellte („Das wird noch geprüft“) hat sich für die Erörterungstermine nicht nur sehr mangelhaft vorbereitet, sondern auch die Zeit sehr vieler Anwohner und Betroffener ausgereizt. Die ÖDP hielt die angebliche „Alternativlosigkeit“ der Wirtschaftsförderung (Beschlussvorlage Punkt 3 für den Stadtrat) und die geplante Nichtöffentlichkeit von Anfang an für eine intransparente Wahlkampftaktik des ehemaligen Oberbürgermeisters Vonarb. Für die Ökodemokraten ist es absolut nicht hinnehmbar, dass solch ein Vorhaben mit immensen Auswirkungen auf die Umwelt der gesamten Region ohne Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) vom Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz (TLUBN) „durchgewinkt“ werden könnte. So ist es bspw. unverantwortlich auch von Seiten der Behörden, dass, obwohl die Filtertechnik nicht entsprechend der schon klar festgelegten Grenzwerte angepasst wurde (3.3.4.1.), das Unternehmen SungEel sich mit der Aussage „Wir müssen uns nicht festlegen“ herausreden darf. Desweiteren fand der NMC (Nickel-Mangan-Cobalt)-Gehalt noch keine Berücksichtigung in der Emissionsprognose von SungEel (3.3.4.3.) Diese potentiell hochgradig krebserregenden Stoffverbindungen sind laut der BI Cretzschwitz ohne Grenzwert-Angaben im Genehmigungsantrag aufgeführt worden. Ein generelles Problem stellt nach Einwendungen besorgter Bürger die Gesamtstoffbelastung in den Bereichen „Luft“ und „Gewässer“ dar, da von der Vorhabenträgerin immer nur einzelne Stoffe bewertet werden, anstatt der entstehenden Stoffgemische. Das mittelständische Geraer Unternehmen Electronicon, das leistungsstarke Kondensatoren u.a. für Starkstromelektrik fertigt, positioniert sich daher grundsätzlich gegen das Vorhaben und droht mit einem Klageweg. Nur 70 Meter vom SungEel-Grundstück entfernt befindet sich eine Fertigungsstätte von Electronicon mit hochsensiblen Leistungskondensatoren; eine Beeinträchtigung durch SungEel-Emmissionen über die Luft kann zur Qualitätsminderung des Produktes und zur Gefahr für die dort arbeitenden Menschen und Anwohner führen. Auf die Entscheidung des TLUBN kann nach dem weiterführenden Online-Erörterungsverfahren aus zivilgesellschaftlicher und politischer Sicht kaum mehr Einfluss genommen werden. Als ÖDP unterstreichen wir, dass die Verantwortung in erster Linie eine politische war: ohne einen entsprechenden Stadtratsbeschluss am 06.09.2023 zur Ansiedlung von SungEel ohne UVP hätte es diese Erörterungsfarce nicht geben müssen! Wieder einmal wird der Wählerwille von den Altparteien überstimmt. Die Populisten hingegen zeigen sich seit der Gründung der Bürgerinitiative Cretzschwitz plötzlich sensibilisiert und umweltbewusst. Wieder einmal wird sich erst hinterher kritisch mit dem Problemverursacher auseinandergesetzt. Wieder einmal braucht es eine Person an der Verwaltungsspitze, die ein Machtwort spricht und der durchschaubaren Taktik von SungEel und der AfD ein Ende setzt! Herr Dannenberg, wo ist Ihre im Kommunalwahlkampf betonte Führungskompetenz?
Natürlicher Hochwasserschutz überhaupt kein Thema im Stadtrat
Auffallend ist, wie sehr die AfD in Gera nun aus politischem Kalkül heraus die Umweltfrage stellt. Es ist ganz offensichtlich, dass es erst einer schlagkräftigen Truppe aus einer Bürgerinitiative bedarf, um der AfD die Augen zu öffnen. Immerhin – und damit ganz anders als die Grünen, die SPD, die CDU und die Linke – scheint der Stadtverband der AfD lernfähig zu sein. Oder doch nicht? Nach der jüngsten öffentlichen Veranstaltung zum Thema „Hochwasserschutz“ am 04.12.2024 im Geraer Rathaussaal waren Vertreter der AfD nicht anwesend. Die Anteilnahme bei Umweltfragen beschränkt sich offenbar nur auf Themen, bei der eine Bürgerinitiative viele Menschen mobilisieren kann. Fachliche Expertise ist bei dem sensiblen Thema „Hochwasserschutz“ mindestens genauso gefordert wie beim Thema „Batterierecycling“. Einzig und allein die ÖDP hat es verstanden, die Risiken und Gefahren für Mensch und Natur zu minimieren und die richtigen politischen Schlüsse daraus zu ziehen. Der in Gera zur Anwendung kommende technische Hochwasserschutz stellt nach ÖDP-Fachexperten nur die fünfte und letzte Stufe des Gesamtschutzkonzeptes dar. Jedoch sind technische Maßnahmen allein nutzlos, wenn die vorherigen Stufen des Hochwasserschutzkonzeptes nicht beachtet werden. Nach wissenschaftlicher Erkenntnis beginnt die Hochwasserschutzvorsorge bereits beim ersten Kontakt des Regentropfens mit dem Boden. Hochwasservorsorge ist demnach unter allen Umständen auch Bodenvorsorge. An dieser Stelle haben die ehemalige Stadtspitze und der ehemalige Stadtrat Gera komplett versagt. Aus purer Lobbyhörigkeit gegenüber der Bauwirtschaft, mangelnder stadtplanerischer Weitsicht und Ignoranz gegenüber den Umwelt- und Naturschutzthemen beschlossen Laien beim Thema „Stadtentwicklung“ indiskutable Bebauungspläne entlang der Weißen Elster und zementierten damit eine Entwicklung, die nun aktuelle und künftige Generationen ausbaden müssen. „Ausbaden“ ist die sinnbildliche Bezeichnung einer fragwürdigen Entwicklung, die vor allem Bewohner der Stadtteile Debschwitz und Untermhaus zu erleiden haben, befinden sich die Wohnsiedlungen seit dem „Schutz“-Mauerbau doch in einer Art Bassin. Das aus der überlasteten Kanalisation herausquellende Grundwasser kann somit nicht mehr seinen Weg zurück ins Fließgewässer finden. Als absolut verantwortungslos bezeichnet die ÖDP-Regionalvorsitzende und Anwohnerin Karolin Zinkeisen die Entscheidungen der vergangenen 8 Jahre sowohl von Seiten der Stadt Gera, als auch von der Thüringer Landgesellschaft (ThLG). Nach dutzenden Stellungnahmen durch Naturschutzverbände spätestens seit dem Hochwasser 2013, nach zahlreichen gemeinsamen Exkursionen von Verbänden mit Vetretern der ThLG und nach vielen weiteren Hochwassern in Deutschland und weltweit hat es die Stadtverwaltung nicht geschafft, ein sinnvolles Konzept zum Hochwasserschutz zu entwickeln, was mit einem Bodenvorsorge- und Auenschutzkonzept einhergeht. Zinkeisen dazu: „Flussauen sind die natürlichen Pufferzonen zwischen Flussbett und Siedlungsfläche. Über Jahrhunderte haben die Menschen gelernt mit Hochwasser umzugehen und damit zu leben. Erst seit der weltweiten Erderwärmung und den zunehmenden Starkregenfällen erhöht sich die Gefahr des materiellen Schadens. Daher ist es notwendig, Klimaanpassungsmaßnahmen vor Ort durchzuführen, die insbesondere an Flüssen gelegene Städte wirksam schützt. Mit dem starken Hochwasser 2013 hätte es endlich ein Umdenken der Verwaltung hin zu mehr Resilienz und Anpassung geben müssen, Stichwort Schwammstadt. Stattdessen wurden systematisch sämtliche zur Verfügung stehende Freiflächen mit Zustimmung des Stadtrates bebaut oder als Bauland vermarktet.“ Nicht zufälligerweise war während dieser Entscheidungsphase die Leitungsposition des Stadtplanungsamtes unbesetzt. In der Stadt Gera etablierte sich über einen recht langen Zeitraum eine Art Selbstbedienungsmentalität, deren Folgen nun die Mehrheit der Bewohner aus Zwötzen, Debschwitz und Untermhaus zu ertragen haben: verminderte Wohnqualität durch fehlende Frei- und Erholungsflächen für Anwohner, Vernichtung von Kleingärten, Überhitzung durch Sonnenabstrahlung bei Gebäuden in Blockbauweise, verringerte Luftzirkulation, Erhöhung der Durchschnittstemperatur auch in Stadtteilen entlang der Weißen Elster, eine verschärfte Parkplatzsituation, Austrocknung der Böden, verringerte Aufnahmefähigkeit des Regenwassers durch den Boden, Senkung des Grundwasserspiegels, verkürzte Lebensspanne von Bäumen und Sträuchern, Vernichtung der Biotopverbunde, Vernichtung der Lebensräume von Menschen, Tieren und Pflanzen.
Die nicht mehr aktive Bürgerinitiative „Luboldtgarten“ hatte schon vor mehr als einer Dekade auf viele dieser Probleme hingewiesen. Nichtsdestotrotz wurde ein überdimensioniertes Prestigeprojekt mit Gewinnstreben im ehemaligen Park der Biermann-Villa durch einen auswärtigen Investor realisiert, der die gesamte ehemalige Freifläche entlang des Mühlgrabens nun mit einer Tiefgarage versiegelt und überbaut. Die Stadt feiert dieses Vorhaben als „Entwicklung“; die betroffenen Anwohner sehen es als radikalen Einschnitt in ihre Wohn- und Lebensqualität. Dem „Hochwasserschutz“ wurde damit ein weiterer Bärendienst erwiesen, aber die Stadtverwaltung und der Stadtrat scheinen weiter blind und taub zu sein.
Die ÖDP Ostthüringen fordert das Stadtoberhaupt Kurt Dannenberg auf, dieser Ignoranz und fachlichen Inkompetenz bei Umweltfragen aller Art endlich Einhalt zu gebieten, an die Verantwortlichkeit der Entscheider zu appellieren und die Sorgen und Bedenken der Bürgerinnen und Bürger ernst zu nehmen.